Das neue Zwangsmuster der Menschheit, an jedem Ort und zu jeder Zeit mobil zu kommunizieren und über alles und jedes informiert zu sein, hat sich flächendeckend festgesetzt und zu einer nie da gewesenen Informationsüberlastung geführt. Wenn man zum Beispiel an Bahnhöfen oder Flughäfen Menschen beobachtet (was ich gerne tue), stellt man fest, dass eigentlich jeder ein Smartphone vor sich her trägt. Ganz gleich, welche Altersklasse oder Nationalität, egal ob Männlein oder Weiblein – das Handy scheint das Leben mitzugestalten.
Dieser Satz gewinnt eine gewisse Tragik, wenn mal wieder so ein Dauerkommunikator mit seinem Handy vor die Straßenbahn läuft oder mit seinem Auto einen Unfall provoziert. So etwas ist furchtbar, beängstigend und idiotisch. Doch das Verhalten, das diesen katastrophalen Effekt zur Folge hat, läuft freiwillig und wider besseren Wissens ab. Der Spruch „Augen auf im Straßenverkehr!“ ist uns allen bekannt, nutzt aber vergleichbar viel wie der Aufdruck „Rauchen tötet.“ auf Zigarettenpackungen. Die Menschen schotten sich mehr und mehr ab, die mobile Vereinsamung greift um sich.
Alles in allem bietet diese neue Massensucht meiner Meinung nach keine besonders schönen Aussichten für die Zukunft – aber wie gesagt, den meisten von uns scheint es so zu gefallen, wie es jetzt nun mal ist.
Eine andere Frage, die ich mir stelle, lautet: „Was macht dieser neue Kommunikationswahnsinn eigentlich mit uns und unserer Kommunikationskultur?“ Letztere ist – denke ich – am Verkümmern, wir verabschieden uns von der Verbindlichkeit und wenden uns der Oberflächlichkeit zu. Als ich Mitte der 80er Jahre studierte, wurde bereits über Informationsüberlastung gesprochen – und das, obwohl Internet, E-Mail, Facebook und co. noch gar nicht erfunden waren. Wenn wir bereits damals Informationsüberlastung hatten – was haben wir dann heute??? „Jedenfalls keine gute Kommunikation.“, würde ich da mal gerne sagen. Mitteilungen werden nur noch oberflächlich beziehungsweise gar nicht mehr wahrgenommen, Absprachen werden nicht mehr eingehalten, der Wert von Aussagen wie „Ich melde mich nächste Woche.“ tendiert gegen Null.
Was sagt dieses Verhalten über den Sender aus?
- Er ist schlecht organisiert.
- Er hat zu viel um die Ohren.
- Er ist unzuverlässig.
- …
Was löst es beim Empfänger aus?
- Ich bin dem Sender gleichgültig.
- Ich bin ihm nicht genug wert.
- Ich habe ihn verärgert/beleidigt.
Auf jeden Fall irritiert dieses vermeintliche „Totstellen“. Es führt zu einer enormen Menge an Mutmaßungen und Interpretationsmöglichkeiten und verkompliziert damit unser Zusammenleben.
Für mich als Botschafter der guten – also auch der verbindlichen und verantwortungsbewussten – Kommunikation ergibt sich die Sinnfrage: „Stellt gute Kommunikation überhaupt noch einen erstrebenswerten Wert im menschlichen Miteinander dar? Oder hat das oberflächliche und unverbindliche Gebrabbel die zwischenmenschlichen Beziehungen bereits so weit infiltriert, dass wir selbiges als normal empfinden?“
Auf mich wirken beispielsweise Aussagen wie „Wir laden Sie mal ein.“, auf die hin jahrelang nichts passiert, oder „Ich melde mich nächste Woche.“, ohne die genaue Jahreszahl dieser nächsten Woche anzugeben, immer noch äußerst unangenehm. Bei mir als „Kommunikations-Dino“ kommt so etwas gar nicht gut an. Es kommt sogar so ungut an, dass ich alle Menschen, die sich das mir gegenüber erlauben, aus meinem Bekannten- und Freundeskreis entferne.
Das macht einerseits auf Dauer einsam und wenn es sich bei diesen Menschen um Kunden handelt, führt es dazu noch zu Umsatzeinbußen. Anderseits tut es aber auch gut, denn man hat mehr Zeit und Muße, sich mit den letzten „Verbindlichen“ auseinanderzusetzen.