Führen mit Zielen

Die Fähigkeit, möglichst verständlich und überzeugungsstark zu kommunizieren, ist für Führungskräfte unverzichtbarer denn je. Eine weitere Position auf der Positivliste für erfolgreiche Mitarbeiterführung ist – richtig verstanden und richtig eingesetzt – das Thema Empathie.

Der Grund: die seit einiger Zeit rauf und runter diskutierte „Zukunft der Arbeit“ ist – allerdings von vielen unbemerkt – längst in der Gegenwart angekommen! Das sich hieraus ergebende notwendige Umdenken in der Mitarbeiterführung bzw. Führungsarbeit findet dementsprechend wenig Anhänger.

Fest steht: „Führen“ ist richtig harte Arbeit, denn Unternehmen wollen und müssen konstant an ihrer Zukunftsfähigkeit arbeiten; eine Zukunft ohne engagierte, zuverlässige und motivierte Fachkräfte ist jedoch illusorisch. Die Arbeitswelt von morgen – die wie gesagt schon längst Realität geworden ist – verlangt, dass Führungsarbeit mit den neuen Vorstellungen und Anforderungen der Mitarbeiter kompatibel wird.

Zu diesen neuen Vorstellungen gehören u.a.:
– Mitarbeiter entscheiden (fast) alles selbst
– Hierarchien werden durch Netzwerke ersetzt
– Mitarbeiter bestimmen ihren Arbeitseinsatz und ihr Gehalt selbst (Freizeitpräferenz)

Hier müssen die Führungskräfte ran. Besser früher als später gilt es, diese neue Situation zu erkennen und das eigene Führungsverhalten einer kritischen Überprüfung zu unterziehen sowie gegebenenfalls Anpassungen vorzunehmen. Natürlich darf dabei keinerlei Verlust an Produktivität entstehen. Im besten Falle kann oder soll die Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter sogar gesteigert werden!

Wenig hilfrieiche Verhaltensmuster in der Mitarbeiterführung

Allerdings beobachte ich in meiner täglichen Beraterpraxis in vielen Unternehmen Führungsverantwortliche, die sich diesen neuen Herausforderungen mitnichten stellen, sondern mit Verhaltensmustern auf die veränderte Situation reagieren, die sich in etwa wie folgt beschreiben lassen (letztlich auch der Grund für diesen „Inneren Schweinehund-Post“):

Der getriebene „busy body“
Er hetzt von Termin zu Termin, ist immer online, telefoniert, schreibt SMS und Emails – und dies auch während wichtiger Besprechungen. Dadurch kommuniziert er oft wie die „Axt im Walde“, was heißen will: unvollständig, unkonzentriert, widersprüchlich und unverständlich.
Die Mitarbeiter schütteln den Kopf und wissen nicht so richtig, was sie tun sollen.

Der „Selbermacher“
Er stellt sich nicht der Herausforderung, hat Angst vor Konflikten und akzeptiert nicht, dass andere Menschen abweichende Herangehensweisen haben. Deshalb macht er (fast) alles selbst und hat daher auch keine Zeit zum Führen. Mitarbeiterführung beschränkt sich bei ihm in der Regel auf Pseudo-Aktionismus.
Die Mitarbeiter schütteln den Kopf, sind irritiert und wissen nicht so richtig, was sie tun sollen.

Der „ehrlich Lustlose“
Er gibt einfach zu, dass ihm Führungsarbeit keinen Spaß macht.
Führung interessiert ihn nicht wirklich, vielmehr zieht er sich auf die Position zurück,
dass die Mitarbeiter schließlich alle Profis sind und genau wissen, was sie zu tun haben. Zudem bekommen sie ja auch noch ein gutes Gehalt. Wie in den anderen Fällen mutiert Führungsarbeit auch hier zu einer Abfolge von sinnentleerten Ritualen, deren Nutzen sich weder Führungskraft noch Mitarbeiter erschließt.
Die Mitarbeiter schütteln den Kopf, sind irritiert und wissen nicht richtig, was sie tun sollen.

Ein bisschen Klartext zum Thema Mitarbeiterführung!

Natürlich kenne ich auch genügend hervorragende Führungskräfte, die einen absolut guten und beeindruckenden Job machen, doch um die geht es hier nicht. Die drei oben genannten Grundtypen machen mir Sorgen.
Führen bedeutet, die Mitarbeiter täglich von der Sinnhaftigkeit ihres Tuns zu
überzeugen.

Die Aufgabe einer Führungskraft ist es, Mitarbeiter zu führen. Und zwar so, dass die Mitarbeiter die optimale Leistung erbringen und dabei gleichzeitig zufrieden sind, sich wohlfühlen und (ja!!!) vielleicht sogar Spaß bei der Arbeit haben.
Führungskraft heißt also nicht, der beste Sachbearbeiter zu sein oder das meiste Wissen zu haben – oder?

In der einschlägigen Literatur existieren zahlreiche Vorschläge, die in mehr oder weniger verständlichen Worten beschreiben, was zu tun ist um Mitarbeiter zu führen und im Unternehmen zu halten. An fehlendem Wissen kann es somit nicht liegen, dass Führungsaktivitäten so oft in die Hose gehen.
Was also sind die Gründe für die festgestellte Führungsverweigerung, dieses Unvermögen oder auch für die mangelnde Bereitschaft, das Führungsverhalten an die veränderten Gegebenheiten der Arbeitsstrukturen anzupassen?
Warum wird so wenig getan – die Folgen kennen wir alle: ernsthafte Probleme im Wettbewerb um die immer knapper werdende Ressource Fachkräfte.

Die Mitarbeiter haben sich mittlerweile ein neues Wertesystem aufgebaut. Auch ist der moderne Mitarbeiter der Leistungserbringung nicht abgeneigt. Allerdings sieht er in seiner Arbeit eher eine Notwendigkeit zur Sicherung der Existenz bzw. des gewünschten Lebensstandards. Sobald die Arbeit keinen Spaß mehr macht oder sogar als unbefriedigend empfunden wird, steigt der Wechselwille.

Mit dieser Entwicklung kommen die Führungssysteme vieler Unternehmen nicht klar. Außerdem kollidiert sie mit der Einstellung vieler Führungskräfte. Das Wunschbild vom sog. kooperativen Führungsstil entpuppt sich in der Realität leider allzu oft als Trugbild.
Führung beruht dabei auf den alten Fundamenten wie hierarchische Position sowie Erfahrungs- und Informationsvorsprung. Führungsautorität, die sich hierauf und auf das alte Prinzip von „Befehl und Gehorsam“ stützt, steht auf ziemlich tönernen Füßen.

Also mal ganz ehrlich: Von den Mitarbeitern erwarten, dass sie „gut spuren“, dann aber gleichzeitig gebetsmühlenartig betonen, dass von den Mitarbeitern eigenständiges Denken und Handeln erwartet wird – ist das nicht ein Widerspruch???

Erkenntnis:

Im Zeitalter vernetzter Unternehmen und Projekte werden die Grenzen zwischen Führenden und Geführten unschärfer. Zunehmend entscheidet der gelebte Kooperationsgrad über die Leistungsfähigkeit und den Erfolg einer Organisation. Die Folge kann nur ein neuer Führungsansatz sein, der es ermöglicht, die Leistungsträger der verschiedenen Unternehmensbereiche unter einem gemeinsamen Ziel zu vernetzen.
Die modernen Leistungsträger fühlen sich weitgehend unabhängig, erwarten es, in Entscheidungsprozesse eingebunden zu werden und möchten am liebsten selbst entscheiden, von wem sie sich führen lassen.
Die Führungskraft, die hier mithält, benötigt daher auf der einen Seite die uneingeschränkte Akzeptanz der Mitarbeiter und andererseits den Mut, Mitarbeitern zu vertrauen und ihnen etwas zuzutrauen.
Halbherzigkeiten sind hier fehl am Platz. Wer am Ende des Tages immer noch bedingungslosen Gehorsam und Bewunderung verlangt, der wird wohl scheitern. Die jetzt nachrückenden Fachkräfte erwarten außer einem ihren Vorstellungen entsprechenden Einkommen auch die Möglichkeit zur Teilhabe (etwas bewegen zu können).
Führungskräfte müssen sich auf Mitarbeiter einstellen, die es bevorzugen, Aufgaben im Team eigenverantwortlich zu meistern. So können sie dann ihre Arbeit auch im Sinnzusammenhang mit den Unternehmenszielen sehen. Gegenseitige Anerkennung und Wertschätzung sowie Vertrauen und das Gefühl, ernst genommen zu werden, sind hierbei das Salz in der Führungssuppe.

Mein neues „innerer Schweinehund-Projekt: Führen mit Zielen“

Informierte Leser wissen, dass Peter Druckers Managementkonzept „management by objectives“ mit seinen 60 Jahren eigentlich ein ganz alter Hut ist.
Einige haben es umgesetzt; zum Teil mit Erfolg, zum Teil heißt es auch: “ Haben wir alles ausprobiert – hat auch nichts gebracht!“.
Für mich stellt sich mal wieder die Frage: Ist dieser Managementkonzept-Klassiker per se ungeeignet oder gab es nur Fehler – sprich Inkonsequenz – in der Umsetzung? Hat auch hier alles sein Ende in den berühmten Schubladen des Vergessens gefunden?

Wahrscheinlich ist das Scheitern oft damit einhergegangen, dass wichtige Voraussetzungen für ein erfolgreiches Führen mit Zielen nicht berücksichtigt wurden.

Wichtige Voraussetzungen sind:

1. Mitarbeiterziele aus Unternehmenszielen ableiten
Peter Druckers Vorgabe war, die Mitarbeiterziele aus den Gesamtzielsetzungen des Unternehmens abzuleiten. In der Praxis war und ist es aber so, dass jeder Unternehmensbereich seine eigenen Ziele formuliert – eine Zielabstimmung fand und findet nicht statt.

2. Die Mitarbeiter sollen die Unternehmensziele kennen (im Idealfall sogar mit formulieren).
Erst wenn die Mitarbeiter in die Gesamtstrategie eingebunden sind, können sie Eigeninitiative und -verantwortung zum Erreichen ihrer Teilziele entwickeln und nur so können sie sich mit den vereinbarten Zielen identifizieren und deren Sinn verstehen.
Solange Führungskräfte jedoch ihr Wissen bezüglich der großen Linie als eine Art Geheimwissen erachten, über das sie ihre Führungsrolle legitimieren, verkommt das ganze Konzept zu einem Formalismus-Popanz, den wirklich niemand braucht; partnerschaftlich kooperative Elemente sind hier Fehlanzeige.

3. Führen mit Zielen darf nicht als Kontrollinstrument missbraucht werden. Kontrolle ist gut – aber hier ist Vertrauen besser. Ich wiederhole mich jetzt: Heutzutage müssen die Kernleistungen vieler Unternehmen in bereichs- und hierarchieübergreifender Teamarbeit erbracht werden, der Erfolg des kontrollbasierten Befehl-und-Gehorsam-Ansatzes ist dabei äußerst fraglich.
Das bedeutet übrigens auch, dass wir lernen müssen, die starre Stellenbeschreibung durch eine flexible und variable Aufgabenbeschreibung zu ersetzen.

4. Führen mit Zielen soll verdeutlichen, in welchem Sinnzusammenhang das Tun der Mitarbeiter mit dem Erfolg des Unternehmens steht.
Wird dieser Sinnzusammenhang nicht erkannt, entwickelt niemand Engagement für das Erreichen der Ziele. Niemand kann Entscheidungen treffen, wenn ihm die nötige Orientierung fehlt und Rücksprachemöglichkeiten mit den Vorgesetzten nicht existieren.
Führen mit Zielen – immer noch oder gerade jetzt ein hervorragendes, einfach anwendbares Instrument für Koordination und Kommunikation in der Führungsarbeit.

Wenn die Führungskraft beabsichtigt, innerhalb einer Vertrauenskultur, gepaart mit gegenseitiger Achtung und Wertschätzung, den Mitarbeitern die Sinnhaftigkeit ihrer Arbeit und der vereinbarten Ziele klar zu machen, so hat unser altes Drucker-Konzept mehr Daseinsberechtigung denn je.
Vorgesetzte tun dabei gut daran, den Dialog mit ihren Mitarbeitern zu suchen, konfliktbereiter und –stabiler zu werden. Sie sollten lernen, dass es eine Managementaufgabe ist, dafür zu sorgen, dass die Ziele der verschiedenen Unternehmensbereiche vernünftig abgestimmt werden und dass auf den verschiedenen Hierarchieebenen zwischen Zielen, Maßnahmen und Aufgaben richtig unterschieden wird.

Alles in allem viel, viel Arbeit für Führungskräfte, die ihre Aufgabe „Mitarbeiterführung“ ernst nehmen und ein neuer Fall für den inneren Schweinehund. Wie immer heißt es aber: „Einfach mal anfangen, auch der weiteste Weg beginnt mit dem ersten Schritt.“

Sollten Sie es nicht alleine schaffen – ich gehe gerne mit Ihnen.